Der Unterschied zwischen einem Wahlgewinner und einem Wahlsieger ist nicht nur eine sprachliche Nuance, sondern hat auch in der politischen Didaktik eine wichtige Bedeutung.
In den Medien wird die AfD nach der Wahl in Sachsen als Sieger gefeiert. Diese Bezeichnung entbehrt jedoch einer fundierten Grundlage und ist, wenn man die Didaktik des Wortes genau nimmt, bloß heiße Luft. Leider neigen unsere Medien dazu, reißerisch mit Clickbait und plakativen Aussagen ihr Geld zu verdienen – dazu zählen auch der Spiegel, die Bild und insbesondere die Welt. Dies führt dazu, dass man sich weit vom guten Journalismus entfernt, der eigentlich den Auftrag hat, die Menschen zu informieren. Stattdessen wird der Journalismus zu einem Instrument, das die Gesellschaft aufwiegelt. Doch die Erklärung ist ganz einfach.
Wahlgewinner:
- Definition: Der Begriff „Wahlgewinner“ bezeichnet in der Regel eine Partei oder einen Kandidaten, der bei einer Wahl einen deutlichen Stimmenzuwachs oder eine signifikante Verbesserung seiner Position im Vergleich zu vorherigen Wahlen erzielt hat.
- Kontext: Auch wenn eine Partei ihre Position oder Stimmenanteile stark verbessern konnte, bedeutet das nicht automatisch, dass sie die Wahl „gewonnen“ hat, wenn sie beispielsweise die Mehrheit nicht erreicht.
- Beispiel: Eine Partei, die von 15 % auf 25 % der Stimmen wächst, kann als „Wahlgewinner“ bezeichnet werden, auch wenn sie nicht die Mehrheit erringt.
Wahlsieger:
- Definition: Der Begriff „Wahlsieger“ bezeichnet die Partei oder den Kandidaten, der die Mehrheit der Stimmen oder Sitze gewonnen hat und somit das Mandat erhält, eine Regierung zu bilden oder das angestrebte Amt zu besetzen.
- Kontext: Ein Wahlsieger ist derjenige, der tatsächlich die Macht übernimmt oder die formelle Mehrheit erlangt, unabhängig davon, ob er einen Stimmenzuwachs verzeichnen konnte oder nicht.
- Beispiel: Eine Partei, die 35 % der Stimmen erhält und damit die stärkste Fraktion bildet, kann als „Wahlsieger“ gelten, selbst wenn ihr Stimmenanteil im Vergleich zur vorherigen Wahl gesunken ist.
Didaktische Bedeutung:
In der politischen Bildung ist es wichtig, diese Begriffe differenziert zu verwenden, um Missverständnisse zu vermeiden und den Lernenden ein genaues Verständnis der Wahlprozesse und ihrer Auswirkungen zu vermitteln. Die Unterscheidung hilft auch, die Dynamik von Wahlen besser zu analysieren, insbesondere in Systemen mit proportionaler Repräsentation, in denen Koalitionen eine entscheidende Rolle spielen.
Die Zusammenfassung würde ich so vornehmen, der Wahlgewinner hat den relativen Erfolg, den seine Partei oder Kandidatur im Vergleich zur letzten Wahl erreicht hat, während der Wahlsieger derjenige ist, der die Wahl tatsächlich gewinnt und die politische Macht erhält. Diese Unterscheidung ist insbesondere in der politischen Kommunikation und Analyse von zentraler Bedeutung.
Die didaktische Auseinandersetzung mit politischen Begriffen und Wahlsystemen wird in der Regel ab der Sekundarstufe I (ab etwa Jahrgangsstufe 7) eingeführt und in der Sekundarstufe II vertieft. Der Deutschunterricht selbst ist eher auf die Sprach- und Literaturkompetenz fokussiert, während politische Bildung spezifisch im Fach Politik oder Sozialkunde vermittelt wird.
In der Grundschule werden politische Themen meist nur in sehr allgemeiner Form angesprochen, wenn überhaupt. Das ist bedauerlich, denn dadurch geht der Gesellschaft ein erheblicher Teil an politischer Bildung verloren – ein Punkt, den ich seit Jahren moniere. Es ist ebenfalls ein bedauerlicher Umstand, dass grundlegende politische Bildung in der Grundschule oft vernachlässigt wird, was ich sehr kritisch betrachte.
Buchreferenzen zum Artikel:
- Wahlen und Wahlsysteme von Hannelore Bublitz
- Einführung in die Politikwissenschaft von Klaus Armingeon
- Politisches Wörterbuch von Hans-Jürgen Lange